Partizipation

Partizipative Forschung

Einführung

(Unger 2014)

Partizipative Forschung ist ein Oberbegriff für Forschungsansätze, die soziale Wirklichkeit partnerschaftlich erforschen und beeinflussen. Ziel ist es, soziale Wirklichkeit zu verstehen und zu verändern. Dieser Ansatz bezieht sich sowohl auf die Teilhaben von gesellschaftlichen Akteuren an Forschung als auch auf Teilhabe an der Gesellschaft. Ein grundlegendes Anliegen der partizipativen Forschung ist es, durch Teilhabe an Forschung mehr gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. In diesem wertebasierten Unterfangen sind Soziale Gerechtigkeit sowie die Menschenrechte als treibende Kräfte zu betrachten.

  • Beteiligung (Partizipation) von nicht-wissenschaftlichen Akteuren als Co-Forscher/innen

  • Stärkung der Partner durch Lernprozesse, Kompetenzentwicklung und individuelle und kollektive (Selbst-)Befähigung (Empowerment)

  • Doppelte Zielsetzung von Erforschung und Veränderung sozialer Wirklichkeit sowie Innovationscharakter, Handlungs-/Anwendungsorientierung der Forschung

Ordnungs-Prinzipien der Aktionsforschung

(Torbert und Taylor 2008)

1. die Aktionsforscher/innen erforschen ihre eigene Lebens- und Arbeitswelt, dies bildet die Grundlage (Umfragen)


2. in der kooperativen Erforschung von gemeinsamen Anliegen und Betrachtung intersubjektiver Wirklichkeit im Mittelpunkt, Partnerschaftliche Forschung zwischen Organisationen und Commuitys (Umfragen und Auswertungen Bachelor (Identifizierung von Barrieren für die schulische Teilhabe von AutistInnen - Herr Stass) /Master/Dissertationen)

3. Entwicklung von gesellschaftlichen Strukturen in Theorie und Praxis, die über den lokalen (intersubjektiven, organisationalen, gemeinschaftlichen) Bereich hinausgehen (Schule)


Community-basierte partizipative Forschung

(Israel et al. 2003)

Der White Unicorn e.V. verfolgt in seinen Forschungskooperationen die Absicht in und mit der Community der Autisten im Sinne der Diversität Ursachen von Problemen im aktuellen Gesellschaftsdesign zu erforschen und Handlungsstrategien zu entwickeln. Der Ansatz zeichnet sich durch folgende Hauptmerkmale aus:

  • Die Partner*innen (aus den Communities der Autisten der Neurodiversität, der professionellen Praxis als Träger der White Unicorn e.V. und der Wissenschaft in Forschungsverbünden/Kooperationen) arbeiten gleichberechtigt in allen Phasen des Forschungsprozesses zusammen

  • Forschen und Handeln werden ausgewogen miteinander verbunden und dienen dem Vorteil aller Beteiligten

  • Community (im Sinne einer lebensweltlichen Gemeinschaft, hier die Community der Autisten im Sinne der Diversität) wird als identitätsstiftende Einheit anerkannt

  • Die Stärken und Qualitäten der Community werden gesehen und genutzt

  • Voneinander Lernen und Kompetenzentwicklungen werden bei allen Beteiligten ermöglicht

  • Langfristige Prozesse und Bindungen sind vorgesehen

  • Die Relevanz von Problemen im aktuellen Gesellschaftsdesign stehen im Zentrum, so dass Barrieren langfristig insbesondere in Bildungseinrichtungen abgebaut werden (Pädagogische Architektur/Hilfsmittel)

  • Alle Partner*innen bekommen die Ergebnisse ausgehändigt und werden in die Verbreitung und Verwertung von Projektergebnissen einbezogen

  • Gesellschafltiche Strukturen werden in Prozessen (weiter-)entwickelt

Viele Autisten die sich mit der Community der Neurodiversität identifizieren haben sehr schlechte Erfahrungen in ihrem Leben mit Fachkräften gemacht. Auch Lehrmeinungen werden mit Begriffen wie "Folter" belegt, wie z.B. ABA. Die Autisten, zu denen sich der White Unicorn e.V. ebenfalls zählt, werden das Anliegen der Community selbst nicht an Macht und Kontrolle in der Froschung abgeben.

Nicht ohne uns, über uns.

Wir betrachten die Communitybasierte Aktionsforschung im Sinne der Partizipation als eine Chance und Möglichkeit, für alle Beteiligten. Insebsondere da die Gräben sehr tief sind. In den konventionellen Methoden der Forschung werden Autisten wie wir nicht erreicht werden (können). Als sozial marginalisierte Minderheit besteht zudem ein großes Misstrauen, das historisch nun seit etwa den 90er Jahren gewachsen ist. Wir setzen voraus, dass sich alle Beteiligten an dieser Forschung bewusst sind, welche Verantwortung hier eingegangen wird. Diese Art der Forschung ist sehr zeitintensiv und Vertrauen sowie Verständigung stehen in offener Kommunikation an oberster Stelle. Nur wenn sich alle Beteiligten miteinander in den offenen Austausch begeben kann es gelingen, dass alle die benötigten Kompetenzen erwerben. Aktionsforscher*innen aus der Community ebenso wie die Forschenden über Autisten lernen - und müssen lernen. Nur wenn beide Seiten in gegenseitigem Respekt sich mit Achtung und Würde begegnen, kann dieses Unternehmen gelingen.

Da es bei den Vertretern der Neurodiversität sehr leicht erkennbar ist, wer dieser Community angehört und wer nicht, ist eine Abgrenzung hier aber nicht sehr schwierig. Viel schwieriger ist es zum einen Autisten denen Enthinderung effektiv gelungen ist zu finden. Meist ist eine Diagnose dann nurmehr ein Blatt Papier, denn in diesem systemisch angelegten Prozess des Barriereabbaus zur Enthinderung wird auf Pathologisierung und Stigmatisierung möglichst konsequent verzichtet. Zum anderen dann im Anschluss diese Daten methodisch auszuwerten.

Methodik und Auswertung

Die Beteiligten müssen die Freiheit haben die Daten nach Vaele (2005) zu interpretieren. Das bedeutet, dass in einem Reflexions- und Auwertungsprozess ein co-konstruktiver Prozess verstanden wird, der nicht darauf abzielt, einzelne Stimmen hervorzuheben. Weder jede Stimme aus der Community als besonders einzig authentisch, noch jede Stimme aus der Forschung als rein und unbefleckt. Die Aufgabe besteht somit darin, herauszufinden, wie man optimal zusammenarbeitet. Es ist ein gemeinsames Forschungshandeln sowie Praxis ebenso wie eine gemeinsame Auswertung (Reflexion).

Das Ziel ist durch Datenerhebung und Auswertung, von Aktion und Reflexion ein neues, vertieftes Verständnis der Zusammenhänge zu erreicht und neue Handlungsansätze an Wissen zu generieren. Die Auswertung ist somit eher ein Nachdenken über Daten im gemeinsamen Lernprozess. (Nind 2011).

Aus unserer Sicht kann es hier nur gelingen wenn man internationale Kentnisse aus der Forschung wie z.B. von Nick Walker "Was ist Autismus" (Walker 2015) nutzt um weiter zu denken. Hier im konkreten Bezug auf Bildungsteilhabe in der BRD, die ab 2020 dem Bundes-Teilhabegesetz unterliegt und eine Barrieren-Sensitive Beschulung und (Aus-)Bildung autistischen Schüler*innen und Student*innen als Recht zugesteht.

Literaturverzeichnis


Israel, B.A., Schulz, A.J., Parker, E.E., Adam, B.B., Allen III A.J., & Guzmann, R.(2003). Critical issues in developing and following community based participatory research principles.

Nind, M. (2011). Participatory data analysis: A steph to far? Qualitative Research

Torbert, W.R., & Taylor, S.S. (2008). Action inqiry: Interweaving multiple qualities of attention for timely action

Unger von, Helga, (2014): Partizipative Forschung ISBN 978-3-658-01289-2

Vaele, A. (2005). Creative methodologies in participatory research with children

Walker, Nick (2015): Die wirklichen Experten: Lektüren für Eltern autistischer Kinder