Im Leben eines jeden Menschen gibt es so Manches, das es braucht, um sich wohl zu fühlen und eine gesunde Entwicklung erfahren zu können. Ganz besonders wichig ist es für Autisten sich im Ruhezustand zu befinden, damit dies geschehen kann. Der eigenen Wahrnehmungsweise wegen, sind manche Faktoren hier etwas verschieden zu Nicht-Autistischen Kindern. Der Ruhezustand hat viel mit der Lebensweise zu tun. Unabhängig davon, was man sich nun genau im Speziellen als Rahmen wählt, sind für den Ruhezustand einige Grundlagen im Zuhause, im Umgang mit Zeit, Selbst zu sein sowie seinen Platz in der Welt zu finden maßgeblich.
Ein autistenfreundliches Umfeld mit für Autisten empathischen Menschen ist maßgeblich für den Ruhezustand. In diesem Ruhezustand zeigen Kinder eine hohe Lebensmotivation, erfahren die Welt gern und sind bereit sie erkunden, zu entdecken und sich in ihr zu entfalten. Das tun sie auf ihre ganz eigene Weise, denn sie sind authentisch autistisch. Starke Überlastungen fallen hier fast gänzlich weg, außer bei ganz besonderen Ereignissen, vom Nervenzusammenbruch sind sie fern. Kann ein autistisches Kind im Ruhezustand aufwachsen, ist in den Bereichen des Lernens, der Kommunikation (auch nicht sprachlich) sowie der seelischen und körperlichen Gesundheit eine sehr hohe Widerstandsfähigkeit zu beobachten - dies auch, wenn sie non-verbal kommunizieren.
Das Zuhause
Ein sicheres Zuhause (inc. Kita/Schule), in dem auf Barrierefreiheit geachtet wird
In dem man sich wohl fühlen kann
Das Raum bietet, so sein zu können, wie man ist
Zeit
So viel Zeit wie jeder braucht
die eigene Geschwindigkeit
um besonderen Interessen nach zu gehen
für was und wie lange dies auch immer sein mag
Selbst-Sein
Sozialkontakte, die als bereichernd erlebt werden, wie man sie sich wünscht
in denen man genommen wird, wie man ist
sich selbst durch den Gegenüber als wertvoll erleben kann
Die Welt
Möglichkeiten die Welt zu entdecken
Auf die ganz eigene Art und Weise
Zufrieden sein mit sich und der Welt
Je stärker der Ruhezustand gelebt wird und sich das Kind bis zur Pubertät spielerisch mit der eigenen, individuellen Lebensweise befasst, je stärker die Rahmenbedingungen Halt geben und ein autistisches Verhalten in Respekt und Achtung dem Heranwachsenden gegenüber gelebt werden kann, je mehr bildet sich die Widerstandsfähigkeit bis zum Erwachsenenalter aus. Der geeignete Weg geht dahin, im Ruhezustand zu leben und dadurch befähigt zu werden, den Lebensweg bewusst zu gestalten.
Aus der Ruhe gebracht
Barrieren in der Umgebung, wie sie in einer Kita leider fast immer gegeben sind, ebenso wie im Schulalltag, fördern die Überlastung. Werden die Kinder auch noch täglich dort hin gedrängt, folgt als logische Konsequenz früher oder später der erste Nervenzusammenbruch. Viele Hinweise, wie einer starren Ordnung, Aggression, Isolation und der Wunsch davon zu laufen weisen darauf deutlich hin, dass die Erfordernisse überhört bzw. nicht gewährleistet wurden. Als Folge wird nur zu häufig die “Betreuungskette” enger gezogen, eine Flucht wird unmöglich, die “Therapien” und die “Förderung” werden fälschlicherweise gesteigert, um angestrebte Ziele zu erreichen. Ein Ruhezustand, gesunde Reizregulation und das Ausbilden stimmiger Rahmenbedingungen werden auf diese Weise verhindert. Dies ist ein Teufelskreis, der die genannten Grundlagen zum Teil oder sogar gänzlich entbehrt, der von den Kindern nicht durchbrochen werden kann. Erst recht nicht, wenn dann kognitive Beeinträchtigungen und vieles mehr ins Feld geführt werden. Auf diese Weise behandelte autistische Kinder, oder auch wenn sie zudem noch Gefahren ausgesetzt sind, wird hierdurch oft großes Leid zugefügt durch Inputsperren. Nicht weil sie Autisten sind, sondern weil keine gesunde Grundlagenbasis herrscht, sie dadurch z.B. unter Zwang in Kitas und Schulen ständig unzumutbaren Barrieren ausgesetzt werden, gegen die sie in solchen Abhängigkeitsverhältnissen nicht angehen können. Sind sie einmal so weit und bis ein neuer Ruhezustand hergestellt werden kann, die Grundlagen gelegt, neue Rahmenbedingungen und Wege zur inneren Mitte gefunden sind, dauert das mindestens Wochen bis eher Jahre - zumindest wenn das Kind dazu noch in der Lage ist und durch Fehlbehandlungen keine lebenslangen Beschädigungen von Leib und Seele verursacht wurden. Bisher ist wenig zu beobachten, dass sich im Erwachsenenalter nachträglich umfassende Widerstandsfähigkeit ausbildet. Schwierig sind hier vor allem die drastischen Folgen der menschenunwürdigen Missachtung der Bedürfnisse der Kinder.
Rahmenbedingungen
Die Rahmenbedingungen sind sehr individuell und werden im Leben von Autisten, bzw den Begleitern von autistischen Kindern, mit der Zeit herausgefunden. Die Grundlagen für den Ruhezustand bieten eine gesunde Basis, in der sich z.B. der Säugling mit der Mutter gemeinsam seiner Selbst bewusst wird. Wächst das Kind heran, wird es in seiner natürlichlichen Entwicklung für sich selbst heraus finden was hilft das innere Gleichgewicht immer wieder zu finden. Um die Welt nun erfassen zu können, wie sie ist, mit allen Höhen und Tiefen, dem Schönen wie dem Leid, sie zu erleben und Mut zu finden sie zu gestalten, braucht es zudem einen gewissen Rahmen. Mit einer gesunden Lebensweise, Beschäftigungen welche zur inneren Mitte führen sind es somit nun noch gewisse Bedingungen die von großer Bedeutung sind, um immer wieder zum Ruhezustand zu finden und damit auch zu sich selbst im authentischen Sein. Rahmenbedingungen sind so verschieden wie die Menschen, doch manche sind einander ähnlich. Sie sind häufig im familiären Umfeld zu finden, weil eine Familie einen Rahmen bildet im Leben eins Kindes oder auch Erwachsenen. Es kann sich um eine bestimmte Umgebung handeln die gern täglich aufsucht wird, wie das eigene Zimmer. Auch kann dies ein spezieller Ablauf in der Früh mit Kaffee und Mails lesen sein, oder bei Kindern ein bestimmtes Gute-Nacht-Ritual. Auch Autisten gegenüber empathische Menschen sind hier wesentlich.
An einigen Beispielen wird hier nun verdeutlicht, was Rahmenbedingungen bedeuten können. In der Lebensgestaltung von Autisten sind es manche Punkte, die immer wieder anzutreffen sind. Sie können flexibel gestaltet, in das eigene Leben integriert werden und sind in der Wirkung äußerst effektiv. Deshalb sind sie als fester Bestandteil im Leben, einen "Rahmen bildend" bei vielen Autisten sehr beliebt. Hiermit soll eine Richtung aufgewiesen werden, was bei Autisten gern ins Leben integriert wird, um im authentisch autistischen Sein das Leben zu verbringen. Sind sie auf die eine oder andere Weise verankert und bilden in einem barrierefreien, autisten gegenüber emathischen Umfeld Rahmenbedingungen, so ist der Ruhezustand stabiler und drastische Überlastungen bis hin zu folgeschweren Inputsperren werden vermieden.
1. Meditation
Sind die Kinder älter, gerade ab der Jugend werden häufig Meditationstechniken als solche gewählt. Diese Art der Ruhe führt bis zur völligen Gedankenstille und gewährt dennoch gleichzeitige Wahrnehmung von sich selbst und der Umgebung, je nach Technik.
2. Fokussieren
Auch können Hobbys dazu beitragen eine gewisse Art von Ruhe zu verschaffen wie Reiten, Rennrad fahren, Kajak fahren, Malen, Schach und vieles mehr. Hierbei kann ein Eintauchen in diese Tätigkeiten stattfinden wodurch eine Art Fokussierung auf sich selbst erfahren werden kann.
3. Innerlich Abschalten
Die dritte bekannte Möglichkeit ist die akustische und visuelle Reiz-Dichte. Zum einen kann dies über Räume geschaffen werden, die mit einer angenehmen Licht- und Farbenoptik gestaltet sind, wodurch Reize kontrollierbar werden. Zum anderen geht dies über Computerspiele, welche mit Ton und Bild zum Eintauchen einladen. Diese Art der Gedankenleitung ist ein Übertönen sämtlicher inneren Vorgänge wie Gedanken, Wahrnehmungen, Erinnerungen und Ähnlichem, weshalb auch hier der Ruhezustand mit eintritt.
4. Lieblingsbeschäftigungen
Zuletzt möchte ich noch die Lieblingsbeschäftigungen nennen, denn sie haben eine beruhigende Wirkung auf einen jeden Autisten und das - auch wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich klingt - weil es begeistert, kreativ werden lässt und fortwährend ein neu Entdecken bedeutet mit dem Erwecken von Schaffenskraft. Den Raum hierfür zu bieten macht positives Erleben möglich und führt zu innerer autistischer Ruhe. Derartige Beschäftigungen, in dieser autistischen Ruhe ausgeübt, können zu einer Professionalität von gesellschaftlicher Bedeutung und Nutzen führen und in beruflicher Hinsicht finanzielle Absicherung nach sich ziehen. Es ist als würde man den Kindern die Welt in die Hand geben, ermöglicht man Ihnen diese Lieblingsbeschäftigungen.
Aus dem Rahmen gefallen
Doch was geschieht, wenn Rahmenbedingungen weg fallen? Stirbt jemand aus dem Familienkreis, werden diese Rahmenbedingungen angegriffen, findet gar Scheidung der Eltern statt, sind sie eliminiert. Dies kann bei einer gesunden Lebensweise, mit Möglichkeiten des Ausgleichs, sowie ausrechend anderen Bedingungen welche das abfangen, auch überhaupt keine Folgen haben. Kommt es zu einer neuen Konstellation, kann dies zu neuen, zuverlässigen Rahmenbedingungen führen. Sind allerdings die Lebensumstände ungünstig, gibt es nicht genügend Möglichkeiten das innere Gleichgewicht wieder zu finden oder handelte es sich gar um die einzig vorhandene günstige Rahmenbedingung, wird das Kind in die Überlastung geraten - bis zu einer Inputsperre, wenn bis dahin keine Widerstandsfähigkeit eingetreten ist. Auf zu passen gilt es hier vor allem auch, denn es kann zudem zur Abschottung führen, wird nicht für ein autistenfreundliches Umfeld gesorgt, das dies abfängt. Die Kinder bauen sich bei der Abschottung eine ganz eigene Welt auf, in die sie tief abtauchen weil die Realität für sie unerträglich erscheint. Oft geht dies dann mit Depressionen einher. Ist nun die tägliche Kita/Schule noch barrierelastig ist der Überlastung wegen (engl. Overload) ein Nervenzusammenbruch (engl. Shutdown/Meltdown) vorher zu sehen.
Inputsperre
Der Zustand der Inputsperre ist eine Überlastungsreaktion, welche als Folge einer stark barrierelastigen Umgebung eintreten kann. In diesem können Informationen nicht mehr in vollem Umfang aufgenommen und verarbeitet werden. Wird diese Inputsperre nicht gleich am Anfang behoben durch Ruhe und Achtsamkeit, kann sie bis zu einer Ohnmacht führen, weil der Körper irgendwann zum Schutz vor weiteren Reizen "abschaltet". Es kann somit passieren, daß ein Kind seine Aufnahmefähigkeit zum Beginn einer Inputsperre überschätzt, was ein Fortschreiten bedingt und negative Konsequenzen mit sich bringt. Gerade sehr junge Kinder, wie in einer Kita, haben das notwendige Reflexionsvermögen noch nicht. Durch die Schwierigkeiten die unter solchen Umständen in der zwischenmenschlichen Kommunikation und Handlung entstehen, kann dies in der Beziehung zu anderen Kindern und Erwachsenen schwere Schäden nach sich ziehen. Das Wichtigste ist es somit für die Kinder die erste Stufe einer Inputsperre zu erkennen und zu Handeln, bzw sie zu begleiten, um wieder in den Ruhezustand zu gelangen.
1. Stufe
- das Außen wird als Anstrengend erlebt
- kaum mehr Bedürfnis nach Kommunikation
- kein Wunsch mehr sich aktiv zu Beteiligen
- ...
2. Stufe
- das Außen wirkt wie im Nebel auch wenn (man) es noch mitbekommt (starke Müdigkeit)
- Kommunikation fällt schwer (Wortfindung wird erschwert)
- Zusammenhänge schwer nachvollziehbar (Beeinträchtigung der Konzentration)
- ...
3. Stufe
- keine Wahrnehmung mehr was im Außen geschieht (Apathie)
- keine Kommunikation mehr möglich (Sprachfähigkeitsverlust)
- kein Verstehen dessen was Menschen sagen (Sprachverständnisverlust)
- ...
→ über Rückentwicklung, Schwierigkeiten des vegetativen Nervensystems, Körperwahrnehmungsverlust, Sprachfähigkeitsverlust, Ruhelosigkeit, Apathie, Nahrungsaufnahmeunfähigkeit, und vielem mehr bis hin zur Ohnmacht - der Körper schaltet ab aus Überlastung
Die Inputsperre resultiert aus Leistung heraus die erbracht wird und ist hier ein gesunder Mechanismus von Nöten um zur Ruhe zu ermahnen. Das macht sie an sich leicht zu erkennen und ein entsprechendes darauf eingehen wird möglich. Wird dieser gesunde Mechanismus der anzeigt, dass Ruhe benötigt wird übergangen, können die Schäden verheerend sein. Die Inputsperre endet zu den sozialen Schwierigkeiten schlimmstenfalls in einer solch starken Überlastung dass der Körper etwa das Nervensystem “herunterfährt”, es kommt dann z.B. zu “Beeinträchtigungen des vegetativen Nervensystems” oder das Sprachzentrum fällt aus, das Kind spricht auf einmal nicht mehr, oder vieles mehr. Und nicht immer wird alles wieder wie vorher.
Die erste Stufe ist jene bei der bereits gehandelt werden muss, um die Kinder menschenwürdig zu behandeln:
Aus dem Gespräch kann sich zurück gezogen werden.
Es kann gewählt werden eine Weile allein zu bleiben
oder in einer vertrauten Umgebung mit Menschen zu verweilen, welche die Kinder nehmen wie sie sind.
erfahrene Altautisten können um Rat gefragt werden
die Grundlagen, die Rahmenbedingungen und die Möglichkeiten zum Ausgleich können überprüft werden
jegliche bekannte Belastung ist zu vermeiden
Wenn die zweite Stufe erreicht wird, können langsam Kopfschmerzen entstehen und ein übermäßiges Schlafbedürfnis überkommt den Autisten ggf. Auch ist hier zu beobachten, dass die Kinder schlaff, schlapp wirken, ihre gesamte Körperspannung lässt nach. Dies ist ebenso ein deutliches Anzeichen wie auffällig leises und langsames Sprechen. Das Lernen ist aber bereits in der ersten Stufe nicht mehr wirklich möglich, in der zweiten Stufe ist jedoch bereits eine jede Anforderung schädlich. Wird Druck ausgeübt, fallen die Kinder immer tiefer in den Prozess, kompensieren darüber hinweg, mobilisieren Restkräfte, was aber nicht förderlich ist für die Gesundheit und die gesamte Entwicklung des Kindes.
An sich haben Kinder in der Regel einen recht guten Instinkt für sich selbst und "schalten ab" wenn es ihnen zu viel wird. Sie "klinken sich aus" aus Gesprächen und "machen dicht". Werden Kinder dauerhaft dazu angehalten diese Selbstschutzmechanismen zu übergehen laufen sie Gefahr diese Fähigkeit zu verlieren. Eine Gefahr ist es deshalb, weil die überwältigende Erschöpfung die in der 3. Stufe schlimmstenfalls eintritt Schäden verursachen kann, die nicht oder langfristig nur schwer behoben werden können. Konzentrationsverlust auf Dauer, kognitive Beeinträchtigungen, anhaltende Schwierigkeiten bei der Wortfindung, Realitätsverluste in der Wahrnehmung sind lediglich 4 Beispiele die mehrfach beschrieben werden von Autisten, die im Zustand der 3. Stufe einer Inputsperre angelangt waren.