Autismus - Kultur

Autismus kann man als kulturelles Konstrukt betrachten. In unserer Kultur ist es ein Problem anders zu sein. Unsere Kultur lässt dadurch ein bestimmtes Verhalten zu einem Problem werden. Und nur in einer solchen Kultur gibt es Autist*innen [1]. Da Menschen die heute als Autisten beschrieben werden mit ihrer Neurobiologischen Ausstattung auf bestimmte Rahmenbedingungen angewiesen sind, damit sie gesund aufwachsen können, gilt es ein Universelles Design [2] mit zu gestalten.

Autismus ist somit ein Wort, das etwas beschreibt. Es wird für Menschen verwendet, die bestimmte Eigenschaften im Leben zeigen. Es sind hochempfindsame Menschen, die auffallen, weil sie irgendwie „anders“ wirken. Im Wesentlichen ist es auf zwei Worte herunter gebrochen eine ihnen zu eigene Reizverarbeitung über Sinneseindrücke, die sich von der Masse deutlich unterscheiden. Und das wirkt sich bis in's Soziale hin aus. Autisten nehmen die Welt anders wahr, manche haben auch eine ungewöhnliche Struktur zu denken. Gemeinsam haben alle, dass sie mit einer gewissen Biologischen Ausstattung zur Welt kommen, als Menschen die sich von der Mehrheit der Bevölkerung deutlich unterscheiden.

Kulturelle Aspekte

Derzeit ist das Prinzip der Diversität [3] nocht nicht umgesetzt. Dies bedeutet, dass Biologische Vielfalt das gesamte Spektrum des Lebens auf der Erde umfasst. Es schließt die genetische Vielfalt innerhalb einer Art mit ein. Lediglich die neurobiologische Verschiedenheit, die Neurodiversität, die als natürliche Variation menschlichen Seins betrachtet werden kann [4], bedingt in einer durch die Mehrheit geprägten Umgebung für diese Minderheit behindernde Umstände [5]. Je nach individueller Veranlagung die stark variiert, sowie der tiefe im Spektrum wie es genannt wird, stehen diese Menschen Barrieren[6] gegenüber, die es ab zu bauen gilt. Es bedarf folglich einer Umgebung, welche die entsprechenden Voraussetzungen bietet, damit Kindern die derzeit autistisch bezeichnet werden, eine gesunde Entwicklung und Aufwachsen ermöglicht wird und gewährleistet ist.

Die Kultur und Gesellschaft als Gesamtsystem sind wandelbar. Erkennt man, weshalb eine bestimmte Minderheit Pathologisierung und Stigmatisierung unterliegt, kann man auch erkennen wie das behoben werden kann. In vielen kleinen Schritten ist dadurch Verändern möglich. Die Gesellschaft und Kultur kann sich dadurch entwickeln, hin zu der Möglichkeit gesund aufzuwachsen, auch wenn die Neurobiologie nur einem kleinen Teil der Bevölkerung entspricht. Inklusion bietet diese Möglichkeit. Barriereabbau, eine Veränderung in der Gesellschaft ist möglich, so dass hinterher nicht mehr über Autisten und Inklusion gesprochen werden muss, da das Universelle Design in einer Weise gestaltet wurde, die es Autisten ermöglicht gesund auf zu wachsen und zu leben.

In dieser Übergangszeit in der wir uns befinden muss es gezwungener Maßen Störmungen unter den Autisten geben – derzeit genannt Leid und Pride als Ausprägungen, da es ein Entwicklungsprozess in einer Gesellschaft bedeutet. Es sind mögliche Entwicklungen wie es weiter geht mit der Kultur. Die Autisten werden maßgeblich daran beteiligt sein.

Diversität

(Beitrag in Zusammenarbeit der ESH mit dem White Unicorn e.V.)

Am 29. Dezember 1993 trat die UN-Biodiversitäts-Konvention [1] in Kraft. Schwerpunkt dieses geschaffenen Rechts sind Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt, die als wichtige Grundlagen für das menschliche Wohlergehen gelten. In der Zerstörung und Zerstückelung von Lebensräumen wird die weitaus größte Gefahr für die biologische Vielfalt auf der Erde gesehen. Dieser für Lebensräume dringend erforderlich gehaltene Schutz beinhaltet auch, dass Menschen, die Minderheiten angehören, ihre ureigene und artengerechte Entwicklung nehmen können dürfen.

Der Lebensraum für die Minderheit der Autisten wird in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr durch Barrieren eingeschränkt, weil Mehrheiten falsche Entscheidungen hinsichtlich ihrer Bedürfnisse treffen und meinen, sie in für geeignet gehaltene Lebensformen führen zu müssen. Autisten (von denen weltweit nach UN-Schätzung: weltweit 67 Millionen leben), begehren seit Jahren gegen Patholgisierung und Stigmatisierung ihrer individuellen Art auf und klagen ihr Recht auf ein artgerechtes Leben ohne Barrieren ein.

Ihre Forderung ist, dass an die Stelle von Pathologisierung und Stigmatisierung dringend geeignete Herangehensweisen treten müssen, die insbesondere autistischen Kindern schon früh in ihrem Leben eine barrierefreie Entwicklung ermöglichen. Sie sind individuelle Wesen, von denen sich viele jeglicher Gleichmachung entziehen müssen, um gesund zu bleiben und die in einem geeigneten Umfeld frohe Menschen werden können.

Ziel muss werden, diese Individualität - nicht zuletzt aus menschenrechtlichen Aspekten - zu respektieren und das Aufwachsen solcher Kindern flexibel zu begleiten und in individuellen Situationen den individuellen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Inklusion bedeutet, die Menschen - ohne Benamsung und Einteilung in Kataloge der Patholgie und Überstülpung von Behinderungsmodellen - in ihren wirklichen Bedürfnissen ernst zu nehmen und von fehlgeleiteten Mehrheitsmeinungen zu entlasten. Kathegorisierungen mit persönlicher Behinderungszuweisung, um z.B. Gelder und Hilfen gewährt zu bekommen, sind einzustellen und erforderlichenfalls in anonymisierende Sachleistungen umzuwandeln, die ein selbstbestimmtes Leben inmitten der Gesellschaft ermöglichen.

Diese Vorgehensweise würde die Verschiedenheit von Autisten im Sinne der Wahrung der Vielfalt menschlichen Seins gemäß den Anforderungen an universelles Design wahren.

Einzelnachweise


1 COLIN MÜLLER: http://autismus-kultur.de/autismus/autipedia/autismus.html

2 UN BRK: https://www.behindertenrechtskonvention.info - Stand 26.10.2016

3 Die Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity CBD) - 1992

4 Jaarsma / Welin: Autism as a Natural Human Variation: Reflections on the Claims of the Neurodiversity Movement. Linköping University, 2014

5 Nick Walker: Julia Bascom (Hrsg.): Loud Hands: Autistic People, Speaking. The Autistic Press, Washington, DC 2012

6 ESH: http://autisten.enthinderung.de/kollision