Persönliche Daten (Autist 4)

Diagnose: Autismusspektumsstörung

Barrieren

Bereits im Säuglingsalter wurde deutlich, dass X extrem auf Lautstärke verbunden mit gewissen Tönen, Menschenmengen, Unruhe und Weitläufigkeit reagierte. Unterhaltungen durch Besuche der Familie, bestimmte durchdringende Töne, laute Gespräche, Supermarktbesuche oder Ausfahrten im Kinderwagen führten zu:

lautstarkem schreien und weinen, deutliche Unruhe, Schlafstörungen und Nahrungsverweigerung. Diese Reaktionen konnten auch zeitversetzt auftreten. Bei Kontakten zu Menschen, außer zu den Eltern, wurde auch ein großes Unwohlsein erlebt. Dadurch, dass diese Phänomene immer konstant auftraten, wurde durch die Eltern versucht, alles was scheinbar zu Belastungen führte, zu reduzieren.

Situation im Kindergarten

X besucht seit 1 1/2 den Kindergarten. Dort wurde schnell deutlich, dass er weiterhin sehr geräuschempfindlich ist und das die Unruhe dort belastend sein kann. Auch ist er nur unter bestimmten Voraussetzungen kontaktbereit. Die Anforderungen, welche an die Kinder dort gestellt werden, sollten auf X übertragen werden. Man räumte ihn mehr Zeit ein, aber versuchte eine Integration.

X sortiert Menschen und Gefühle in Zahlen, er nummeriert diese, was nicht verstanden wird und zu Missverständnissen führt, was X belastet. Er braucht vertraute Strukturen und gewohnte Abläufe, welche im Kindergarten auch nicht eingehalten werden konnten.

Er kann bestimmte Materialien nicht anfassen, weil dieser Kontakt als unangenehm empfunden wird. Auch besteht eine Aversion gegen verputzte Wände, weil diese Struktur kleinere Löcher hat. Diese führen zu einem fast erstarrtem Zustand.

Barrierenabbau in der Kitazeit:

- ständige Gespräche im Kindergarten über das Ausleben von Spezialinteressen und über die Wichtigkeit der Strukturen

- entwickeln von Kompensationsmöglichkeit en durch stimming, Rechenspiele, Musik

Hürden

- Wunsch des Kindergartens zu integrieren, anstatt inclusiv zu arbeiten

- persönliches Ablehnen von Therapieformen, wie z.B. ATZ, welches der Kindergarten jetzt zur Unterstützung eingeschaltet hat. Dieses Konzept entspricht nicht in Wunsch der Eltern, welcher mit Hilfe von Inklusion einen Ruhezustand erreichen will

- generell Verständnislosigkeit durch die Umwelt für das "autistische Sein"

- auch bei Eltern bestehen Unsicherheiten

- keine hilfreichen Informationen von professionellen Instanzen, wie was eine barrierenlastige Umwelt verursacht und wie unabdingbar der Ruhezustand ist.

Ruhezustandsförderung

Als Eltern konnten wir immer wieder feststellen, dass beschriebene Barrieren zu starker Unruhe, Wut und Overloads führten. Es wurde exzessiv nach Strukturen verlangt, die Selbständigkeit reduzierte sich, es kam zu Schlafstörungen, Obstipation und Appetitlosigkeit.

Durch den Abbau der im Vorfeld beschriebenen Barrieren und durch das Fördern von Spezialinteressen konnte X den Ruhezustand erreichen. Dieser zeigt sich bei X durch eine entspannte Stimmung, normalen Schlafrhythmus, geregelte Verdauung und ausreichend Appetit. Und noch mehr: X lässt zu, dass Strukturen, auf die er stark fixiert war, aufweichen. Er ist gern im selbständigen Spiel und braucht keinen Dauerkontakt durch die Eltern. Desweiteren bewirkt der Ruhezustand, dass X spielerisch lernt, Situationen zu kompensieren, in dem er Rechenspiele spielt, Musik für sich nutzt und auch merkt, wenn er Ruhe braucht, was er als Gesellschaftsspielzeit bezeichnet

Regulierbare Barrieren

Beseitigung der Barrieren in der Vorgeschichte:

- Besuche wurden auf eine minimale Anzahl reduziert

- keine Gruppenangebote für Mütter mit Babys mehr wahrgenommen

- Einkäufe ohne X

- Kinderwagen wurde durch ein Tragetuch ersetzt

- Kinderbett abgeschafft, X schlief im Elternschlafzimmer mit diversen Kissen und Decken als "Grenze" zur Weitläufigkeit

- Unterhaltungen wurden gedämpft gehalten, Spielzeug, was Geräusche verursacht, nicht mehr genutzt

- Beseitigung von "kleinen Löchern" im häuslichen Umfeld

- Kindergartenzeit auf ein Minimum reduziert

- Besuche zuhause werden weiterhin gestaffelt empfangen

- Reduzierung der Arbeitszeit der Mutter

Resilienz durch den Ruhezustand

Veränderungen dadurch in der Vorgeschichte:

- durch viel körperliche Nähe und Herstellung von "Enge", z. B. durch pucken, konnte sich X wesentlich entspannen

- er wirkte in Wachphasen ruhiger und fing an, sich mit seiner Umwelt auseinander zu setzen

- Schlafstörungen konnten beseitigt werden

- Nahrungsaufnahme gestaltete sich günstiger

- die Nervosität nahm deutlich ab

X liebt Zahlen, rechnen und Strukturen, welche mit Hilfe von Uhrzeiten eingehalten werden. Er rechnet sehr gern das große 1x1, sowie Quadratzahlen. Dieses bestimmt seinen Tagesablauf. Er hat imaginäre Freunde, mit denen er Situationen nachstellt und mit denen er ständig im Kontakt steht. Desweiteren singt er gern selbsterfundene Lieder, tanzt gern und mag basslastige Musik. Gesellschaftsspiele wie "Mensch ärgere Dich nicht" oder "UNO" spielt X ebenfalls gern. Er kommuniziert gern und viel, liebt Wiederholungen und bestimmte Worte.

Danke

Vielen Dank an Frau Fuhrmann von White Unicorn e.V. für die Aufklärung über Barrierefreiheit, Stimming, Ruhezustand und das "autistische Sein". Dieses hat zu mehr Bewusstsein über unseren Sohn geführt und es konnten enorme Fortschritte in seiner Entwicklung und in seinem Wohlbefinden verzeichnet werden.

Deutschland 2015