ABA - Applied Behavior Analysis - angewandte Verhaltensanalyse

Stellungnahme des White Unicorn e.V.

zu ABA (Applied Behavior Analysis - angewandte Verhaltensanalyse)

Für uns gilt es als Interessenverband die Familien darin zu bestärken, dass die heranwachsenden Autisten möglichst nah am Ruhezustand leben, sowie daran mitzuwirken den Sozialraum der Kinder barrierefrei zu gestalten, inklusiv nach dem Prinzip der Diversität. Dem Entgegen steht aus unserer Sicht ABA.

Wir sind der Ansicht, dass ABA gegen verschiedene Grundrechte verstößt:

- Grundgesetz Artikel 2 (1): „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

- UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 3: Achtung der Menschenwürde, Selbstbestimmtheit und Wahrung der Identität

- UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 22 Abs 1: Privatsphäre und Kommunikation

- UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 22 Abs 3: Vertraulichkeit von Informationen

Wie unsere Erfahrung zeigt, wird eine freie Entfaltung der Persönlichkeit vereitelt. Die Würde wird durch Training in allen Lebensbereichen missachtet. Kinder werden durch die ständige Aufzeichnung von Erfolgen in allen Lebensbereichen überdurchschnittlich überwacht und nicht kindgerecht gefördert sondern vielmehr eher überfordert. Es finden ständige Kontrollen der Einhaltung neurotypischen Verhaltens statt. Grundbedürfnisse und Grundrechte werden verwehrt um einheitliches neurotypisches Verhalten zu erreichen. Respekt und Würde werden dem Kind abgesprochen, Selbstbestimmung und Entfaltung in der eigenen Geschwindigkeit werden unterbunden. Der Wille wird gebrochen. Nicht einmal die Kommunikation darf so stattfinden, wie das Kind sie sich wünscht.

Dadurch entstehen massive Folgeschäden. In Erfahrungsberichten, die uns vorliegen, werden folgende Folgeschäden aus der Behandlung nach ABA beschrieben:

- fehlende Selbstwahrnehmung bis hin zum vollständigen Fähigkeitsverlust

- bedingungsloser Gehorsam bis hin zur Selbstzerstörung

- Verlust der Fähigkeit zur selbständigen Kommunikation

- psychosomatische Erkrankungen

- Inputsperren mit Rückentwicklung von Fähigkeiten

- Depression

- Traumatisierung

Im Folgenden soll aufgezeigt werden warum der White Unicorn e.V. das Therapieren nach ABA für Autisten ablehnt. Dabei wird auf einige Methoden von ABA eingegangen und aufgezeigt wie Autisten diese empfinden und welche Folgeschäden dadurch verursacht werden.

1. Spezialinteressen / Missbrauch von Kompensationstechniken

Da Autisten in einer Welt voll von Barrieren leben, sind sie ganz besonders auf Kompensationstechniken angewiesen. Diese leiten sich bei ihnen oft aus ihren Spezialinteressen ab. Das heisst, dass Autisten sich in ihre Spezialinteressen vertiefen um einen sogenannten Overload (eine seelische und nervliche Überlastung) zu vermeiden. ABA nutzt dies um Autisten zu konditionieren. Dazu werden die Spezialinteressen des Autisten ermittelt und er wird dazu gezwungen diesen nur nachzugehen, wenn er zuvor einen Erfolg im Sinne von ABA erzielt hat. Mit anderen Worten: Ist das Kind brav, darf es kompensieren. Ansonsten wird die Kompensation unterbunden. Diese Methodik erinnert an die Zeiten, als strikte autoritäre Erziehung das klassische Erziehungsmodell der meisten Eltern war. Allerdings hat die Pädagogik bereits seit geraumer Zeit erkannt, dass dieses Erziehungsmodell die freie Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit behindert. Daher wird heutzutage im Normalfall eine autoritative Erziehung angewendet, bei der dem Kind zwar klare Grenzen gesetzt werden, diese aber an den Bedürfnissen des Kindes gemessen werden und nicht am Willen der Eltern. ABA geht sogar so weit, dass Spielfreizeit für Autisten gestrichen wird, wenn sie nicht im vorgegebenen Rahmen funktionieren. Diese Methode wurde von Gerichten bereits als seelische Folter und "Psychoterror" definiert. Damit ist klar, dass ABA hierbei klar gegen die Menschenrechte der autistischen Kinder verstösst.

2. Bindung als Druckmittel

Es ist völlig normal, dass Kinder sich an ihre Bezugspersonen, im Normfall den Eltern, emotional fest binden. ABA versucht diese Bindung zu erzwingen, wobei Methoden angewendet werden, die nicht dem Wesen der autistischen Kinder entsprechen. So müssen die Eltern ihr Kind zum Beispiel "fest knuddeln", da dies als normales Zuneigungsverhalten angesehen wird. Wie mittlerweile aber in der Psychologie und Selbsthilfe bekannt ist, empfinden Autisten diese körperlichen Berührungen oft als unangenehm. Werden sie nun dazu gezwungen, kommt dies einer Folter gleich, bei der ja auch Methoden angewendet werden, die das Folteropfer als unangenehm empfindet. Weiterhin nutzt ABA die Bindung an Personen aus um Therapieerfolge zu erzeugen. So wird zum Beispiel Kindern erklärt, dass die Bezugspersonen sich nur über das Kind freuen, wenn es bestimmte Verhaltensweisen zeigt, selbst wenn diese dem Kind unangenehm sind. Es ist gängige Praxis autistische Kinder zu zwingen ihren Bezugspersonen in die Augen zu schauen. Tut es das nicht, wird es mit Liebesentzug bzw. Nichtbeachtung bestraft. Es ist allerdings bereits seit vielen Jahren bekannt, dass Autisten es als äusserst unangenehm empfinden Personen in die Augen zu schauen. Autistische Kinder werden also gezwungen Verhaltensweisen, die ihrer Natur widersprechen, aufzuzeigen, damit sie die Liebe ihrer Eltern erfahren. Es ist somit keineswegs übertrieben, wenn man auch hier von seelischer Folter spricht. Bindungsängste im Erwachsenenalter und ähnliche auf traumatischen Erlebnissen beruhende psychische Störungen sind die Folge einer solchen Behandlung.

3. Konsequenzen aus ABA

Durch die in den Punkten 1 und 2 genannten Methoden wird in dem Kind ein Weltbild erzeugt, das sich etwa so darstellt: Nur wenn es funktioniert, darf es kompensieren und bekommt die Liebe seiner Bezugspersonen/Eltern. Tut es das nicht, wird ihm die Möglichkeit zur Kompensation und die Liebe der Bezugspersonen/Eltern entzogen. Das führt dazu, dass das Kind dauerhaft gezwungen wird eine "Maske" zu tragen und seine eigene Persönlichkeit nicht zu zeigen. Es muss sich dauerhaft gegen seine eigenen Bedürfnisse stellen und darf nur in dem Rahmen agieren, der von ABA als gesellschaftlicher Konsens angesehen wird. Das autistische Sein wird damit unterdrückt. Die Bindung an Bezugspersonen/Eltern wird also ausgenutzt um das Kind gegen seine eigenen Bedürfnisse agieren zu lassen. Psychische Schäden und die bereits oben erwähnten Bindungsängste sind die Folge. ABA geht in der Folge dann noch einen Schritt weiter. Äussert das autistische Kind Wünsche oder Bedürfnisse, werden diese in die Methoden aus den Punkten 1 und 2 eingebaut. Bedürfnisse des Kindes werden also als Druckmittel genutzt um es zu zwingen im vorgegebenen Rahmen zu funktionieren. Das Kind verlernt auf diese Weise auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten. In der Folge zeigt es Depressionen und ähnliche seelische Störungen, die dann wiederum einer Behandlung bedürfen, oft aber ein Leben lang unbehandelt bleiben oder erst spät im Erwachsenenalter (z.B. bei einem sogenannten Burnout) erkannt werden.

4. Schlussfolgerung

Wir sehen also, dass die Behandlung nach ABA keineswegs eine Hilfe für Autisten darstellt. Sie verschiebt die Probleme lediglich und sorgt dafür, dass das Kind den Wünschen der Eltern gemäß funktioniert. Ist ein Kind unter diesen Bedingungen herangereift, führt ABA aber erfahrungsgemäß zu weiteren sehr schwerwiegenden attestierten Problemen, Behinderung von Körper, Geist und Seele. Diese reichen von Depressionen und selbstverletzendem Verhalten bis hin zu Selbstmordgedanken oder gar Selbstmord. Diese oft erst nach vielen Jahren auftretenden Probleme werden in Studien zu ABA aber nicht erfasst. Es wird lediglich erfasst, dass die Kinder im Kindesalter wie gewünscht funktionieren, weswegen dann von einer Heilung die Rede ist. Wir vom White Unicorn e.V. sind daher der Ansicht, dass es sich bei ABA um seelische Grausamkeit handelt, was im Strafrecht unter den Begriff der Körperverletzung fällt. Eltern, die ihre Kinder nach ABA behandeln begehen somit eine Körperverletzung.

5. Die Alternativen

In heute üblichen Erziehungsmodellen wird das Eingehen auf die Bedürfnisse eines Kindes als absolut notwendig betrachtet. Wie wir hier dargestellt haben, geschieht dies bei der Behandlung nach ABA nicht. Vielmehr werden die Bedürfnisse unterdrückt oder gar als Druckmittel missbraucht. Unser Verein hat es sich daher zur Aufgabe gemacht die speziellen Bedürfnisse und Eigenheiten von Autisten genauer zu betrachten und zu erforschen. Hier auf unserer Website betrachten wir daher verschiedene Wege, die es ermöglichen auf die speziellen Bedürfnisse von Autisten einzugehen. Die Notwendigkeit dafür wurde mittlerweile sogar in der Wirtschaftswelt erkannt. So gibt es z.B. Unternehmen, die für Autisten spezielle Ruheräume und spezielle Arbeitsbedingungen (Homeoffice, Teilnahme an Konferenzen via Telepresence-Systemen u.ä.) bereitstellen. Durch die bei Autisten häufig ausgeprägten Inselbegabungen und speziellen Sichtweisen auf die Welt sind sie nämlich äußerst wertvoll in Wirtschaftsbereichen, die hohe geistige Anforderungen stellen (Informationstechnik, Ingenieurswesen uvm.). Nehmen Sie sich etwas Zeit und stöbern Sie auf unserer Seite, wenn Sie wissen wollen welche speziellen Bedürfnisse Autisten haben und wie man auf diese eingehen kann. Sie werden erstaunt sein wie einfach das sein kann. Wer autistische Kinder ihren Bedürfnissen gemäss behandelt, bekommt als Belohnung ausgeglichene Kinder mit teilweise unglaublich wirkenden Fähigkeiten und im späteren Leben starke erwachsene Persönlichkeiten, die ihren Platz in unserer Gesellschaft von allein finden.

Wir möchten alle Eltern daher ausdrücklich vor dieser Methode warnen, die mittlerweile an vielen Autismus-Therapiezentren Anwendung findet. Halten Sie bitte dringend Abstand von Therapiezentren, welche ABA im Programm haben!

UN-Antifolterkonvention

Artikel 16

1. Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, in jedem seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiet andere Handlungen zu verhindern, die eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellen, ohne der Folter im Sinne des Artikels 1 gleichzukommen, wenn diese Handlungen von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis begangen werden. Die in den Artikeln 10, 11, 12 und 13 aufgeführten Verpflichtungen bezüglich der Folter gelten auch entsprechend für andere Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe.

2. Dieses Übereinkommen berührt nicht die Bestimmungen anderer internationaler Übereinkünfte oder innerstaatlicher Rechtsvorschriften, die grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe verbieten oder die sich auf die Auslieferung oder Ausweisung beziehen.