Beobachtungskonzept

Achtsamkeit

Zum Barriereabbau (bzw. Umsetzung von Regulierbarkeit dieser)

Grundsätzlich ist zu bedenken, dass keine dieser Barrieren zugemutet werden darf, wenn das Kind z.B. dies vermeiden versucht. Der Rückzug ist hier unbedingt zu gewähren und zu unterstützen!

1. Bewegungen

schnelle und ineinander verschränkte Bewegungen der von Menschen gestalteten Umgebung stellen für viele Autisten eine Barriere dar, da eine visuelle Hochwahrnehmbarkeit existiert. Dies ist eine große Qualität, doch an Schulen z.B. kann es zu einer Überlastung im Alltag führen. Dies geschieht z,B. weil große Lampenarreale mit Drehstrom versorgt werden. Durch Phasen entsteht der Eindruck einer Lichtbewegung mit einer Frequenz von ca. 50Hz, die „normal“ nicht wahrnehmbar sind, wenn die Lampen in Felder eingeteilt sind. Die bunte Gestaltung der Schule und viele sich bewegende Kinder können dadurch einen Wahrnehmungszusammenbruch verursachen, da die Vielzahl an Reizen nicht mehr zeitnah verarbeitet werden kann.

→ Kontrollfrage: Wirkt das autistische Kind ein wenig in sich gekehrt, wenn es die Schule betritt und viele Bewegungen stattfinden, oder tritt es sogar den Rückzug an?

2. 3D-Sicht

die dreidimensionale Sicht kann im Alltag wie z.B. beim Treppen laufen oder beim Abschätzen von Entfernungen und Größen eine gewisse Denkleistung beanspruchen. Strecken zurück zu legen zwischen Räumen, ebenso wie Aufgaben mit 3D-Leistung ausführen benötigt dann deutlich Aufmerksamkeit. Diese ist in jedem Fall zu gewähren, das dies unter Zeitdruck zu einer Überlastung führen kann und einen Ausfall des motorischen / sprachlichen Systems, sowie psychosomatische Beschwerden uvm mit sich bringen kann.

→ Kontrollfrage: Braucht das autistische Kinder immer eine Weile wenn es Wege zurücklegt oder Aufgaben erledigt die mit 3D-Sicht zu tun haben, oder treten sogar bereits erste deutliche Unsicherheiten auf?

3. Detailzoom

Viele Objekte werden von Autisten im Detail erfasst, was zu einer enormen Leistungsfähigkeit in bestimmten Bereichen führt. Es ist allerdings zu bedenken, dass es bei der Schätzung von Objektausmaßen verunsichert, ist man sich dessen nicht bewusst. Diese nützliche Fähigkeit lässt vermuten, dass sie zu einer Dauerüberforderung führt, wenn dem Erfassen von Sichtfeldern nicht genügend Raum und Zeit gegeben wird.

→ Kontrollfrage: Findet ein Raumwechsel oder Ähnliches statt, braucht das autistische Kind eine Weile die Umgebung zu erfassen, oder weigert sich das autistische Kind sogar bereits Räume zu wechseln?

4. K.O.-Muster

Es gibt ein berechenbares Element, welches alle K.O.-Muster gemeinsam haben. Diese führen zu einer Art Handlungsunfähigkeit, da das Gehirn eine „Übersetzungsleistung“ - Auge – Gehirn erbringt. Als Beispiele wären hier möglich: Laufrostgitter, Frontgitter von Lautsprecherboxen, Rillen von Rolltreppen, Tannennadeln, Warnwesten uvm. Manche Autisten kompensieren dies durch Phantasie, also der Vorstellung von bewegten Mustern, ein Wellenmeer anstelle Rillen von Rolltreppen und andere Kompensationstechniken wie z.B. den Blick eher durch das Bild als in das Bild richten uvm.

→ Kontrollfrage: Gibt es Muster, vor denen das Kind verharrt, oder läuft es bereits vor ihnen davon oder wird wütend wenn es sie sieht?

5. Licht, Spiegelungen und Reflexionen

es kann unter Umständen das Auge deutlich intensiver die Umgebung erfassen als bei Nicht-Autisten bei Tages- und Nachtlicht. Ein Vorteil in der Natur im Schatten sowie bei Nacht, der gerade im Stadtleben allerdings dazu führen kann, dass Spiegelungen, Reflexionen und Lichteinwirkung als blendend erlebt wird. Häufig wählen in von Nicht-Autisten geprägter Umgebung hier Sonnenbrillen z.B. um der grell erscheinenden Beleuchtung aus dem Weg zu gehen. Es kann somit sein, dass für Nicht-Autisten ein Raum als dunkel erlebt wird, in dem ein Autist gerade angenehm sieht. Kunstlicht stellt ssomit ehr häufig durch seinen Einzelreiz v.a. In Verbindung mit Taktfrequenzen eine Barriere dar. In der Überlastung führt dies zu einer visuellen Wahrnehmung von fehlerhaften Farbsignalen, schwimmende Linien im Bild oder Ähnliches, ebenso wie andere Schwierigkeiten wie Unlesbarkeit von Schrift etc.

→ Kontrollfrage: Wie hat das Kind gern die Beleuchtung und kann alles gut sehen oder treten bereits Anzeichen deutlicher Überlastung auf mit visuellen Wahrnehmungsschwierigkeiten?

6. Synästhesie

Sehr viele Autisten sind Synästheten. Durch unwillkürlich sinnesübergreifende Assioziationen wird die Welt wahrgenommen in bestimmten Bereichen. z.B. können Zahlen einen gleichzeitigen visuellen Eindruck vermitteln, ebenso wie Emotionen von Menschen durch intuitive Bilder erfasst werden. Diese Wahrnehmung ist wesentlich, weshalb ein Deuten bestimmter Rechenweg um zur Lösung zu kommen oder ein Lesen von Mimik und ein Blick in die Augen als trivial erlebt werden können.

→ Kontrollfrage: Wirkt das Kind in der Sinneswahrnehmung in irgend einem Bereich besonders vertieft oder hat eine ganz besondere Zu- und Abneigung gegenüber Musik/Zahlen/Gefühlen/..., bzw äußert dies ggf sogar in irgend einer Form von Kommentaren?

7. Veränderung des gewohnten Bildes

Das Gesamtbild eines Ortes wird durch seine Einzelheiten mit bestimmt. Viele Autisten können kleinste Veränderungen wahrnehmen, wie den Stand der Sonne, Schattenlänge oder auch Objekte die verstellt oder entfernt werden. Unter Überlastung wird eine Veränderung unter Umständen als unerträglich erlebt, weil es eine neue Orientierung bedeutet in der Umgebung, die nicht mehr geleistet werden kann.

→ Kontrollfrage: Ist das Kind kreativ und motiviert, oder zeigt es bereits ersten Unwillen ob Veränderungen des Bildes?

8. Formen- und Stilvielfalt

Die meisten Autisten erleben die Natur als angenehm, Städte ob der unnatürlichen Formen als tendentiell überlastend. Dies ist mit bedingt durch die unnatürliche Formen- und Stilvielfalt, die beständig neu erfassen braucht. Die Konzentrationsleistung wird dadurch verringert.

→ wirkt das Kind in manchen Umgebungen unkonzentrierter wie in anderen?

9. Zivilisationsgeräusche / Gerüche

Städte sind häufig mit einem Klangteppich an Geräuschen augelegt. Auch richten sich einige Menschen ihre Umgebung mit einem solchen ein. Diese unkontrollierbaren Töne können es schwierig machen zugleich einem Gespräch zu folgen oder generell Denkleistung zu erbringen. In natürlichen Umgebungen vom Rauschen eines Baches und Vogelgezwitscher wird dieser Effekt nicht beschrieben. Es hat somit etwas mit der Vielzahl diffuser Geräusche etwas zu tun, die erfasst, zugeordnet und verarbeitet werden müssen. In der Überlastung werden kleinste Geräusche generell als ein zu viel erlebt in der Erfassung, eine Konzentration auf Lernen oder Arbeiten wird hierdurch unmöglich. Die hochsensibilität im akustischen Bereich ist von großem Nutzen bisweilen, auch sind von einigen Autisten nicht nur leise Töne, sondern auch bestimmte Frequenzen hörbar, wie Fledermausstimmen. In von Menschen gestalteten Umgebungen kann dies zur Barriere werden, da die meisten Menschen erst sehr laute Töne hören und dann auch gar nicht umfassend die Frequenzen.

Selbiges gilt auf Gerüche übertragen. Bei Hochsensibilität dieses Sinnes können bereits manche Menschen im Körpergeruch oder durch Parfums unerträglich wirken.

→ Kontrollfrage: Verlässt das Kind schlagartig bestimmte Orte, Räume, meidet manche Menschen konsequent, wirkt verstört oder gar aggressiv sich selbst oder anderen gegenüber, mit fluchtartigem Verlassen der Umgebung und zu Halten der Ohren, bzw einer Artikulation die darauf hin deutet, dass etwas nicht stimmt?

10. Luft / Temperatur

Manche Autisten haben eine sehr hohe Toleranz gegenüber Kälte oder Wärme. Diese individuelle Lebensgestaltung dadurch ist als gesund zu betrachten, da keine Erkältung oder Ähnliches die Folge sind wenn das Kind erst sehr spät zu frieren beginnt. Auch kann im Sommer ein schattiger Wald deutlich angenehmer erlebt werden wie ein Sommerstrand. Bei intensiver Konzentration allerdings sollte auf Sonnenschutz oder Ähnliches geachtet werden, denn dies kann dann unter Umständen nicht mehr beachtet werden und wird zu wenig wahrgenommen. Temperaturdifferenzen hingegen können völlig verwirren, aus Minusgraden draußen in ein warmes Haus zu gehen. Ebenso verhält es sich mit Luftzug, der unter Umständen sogar in einem Raum im Detail der Luftbewegung wahrgenommen wird. Ein geöffnetes Fenster kann somit als unangenehm erlebt werden, da es die Luftbewegung im Raum völlig verändert. Auch kann Wind als schneidend erlebt werden im Winter. Starker Wind gegen den man sich lehnen kann ist unter Umständen dann wieder positiv im Erleben, da man sich mit dem ganzen Körper dagegen lehnen kann und er eine einheitliche Beweugung darstellt.

→ Kontrollfrage: Hat das Kind ausreichend / die richtige Kleidung da, um sich seinen Bedürfnissen entsprechend zu kleiden oder wirkt es unglücklich oder gar ängstlich ob der Luft und Temperatur?

11. Berührungen

Viele Autisten sind für spontane Berührungen von anderen Menschen sehr empfindlich. Berührte Körperteile können noch tagelang nach der Berührung als abgestorben und tot oder auch brennend schmerzend empfunden werden. Aufgrund dieser unangenehmen Erfahrungen mögen es viele Autisten schon nicht, wenn sich Menschen ihnen ohne Einverständnis abzuwarten zu sehr nähern. Wenn möglich sollte zu Autisten dezent ein Abstand gehalten werden, der mindestens der Griffweite der anderen Person entspricht, da viele Autisten hierin bereits aus ihrer Erfahrung heraus eine Bedrohungssituation empfinden, zumal sie schwer einschätzen können, wann eine Person sie wohl tatsächlich auch ohne zu fragen anfassen wird. Das an sich ist eine ganz normale menschliche Schutzreaktion.

→ Kontrollfrage: Zeigt das autistische Kind Abwehrreaktionen gegenüber anderen Menschen oder wird gar Aggressiv?

12. Oberflächen / Untergründe

Manche Oberflächen und Untergründe sind für Autisten in der Wirkung Ähnlich den K.O-Mustern und führen bis hin zu einem spontanen Brechreiz z.B. wenn eine Halterung mit einem bestimmten Profil versehen ist oder ein Boden aus einem Plastik besteht, das nicht betreten werden kann. Zusätzlich können Untergründe von Flächen und Böden aufgrund einer bestimmten Struktur für Irritationen sorgen, wenn z.B. eine Treppe gelaufen werden soll oder auch etwas ganz Uneinheitliches an Bodenstruktur begangen wird. Dies kann bis hin zu momentaner Orientierungslosigkeit führen.

→ Kontrollfrage: Gibt es Gegenstände die das autitische Kind gänzlich meidet oder wirkt sehr unsicher beim Treppenlaufen z.B.?

13. Mitmenschen als mögliche Bedrohung

Gerade Mitmenschen können aufgrund ihres autonomen Handelns für Autisten bedrohlich wirken. Ihr Handeln ist oft nicht absehbar, vor allem wenn es von bestimmten Themen abweicht. Eine Metadiskussion über „Autist-Sein“ während einer Schulstunde etwa kann als fürchterlich erlebt werden, da dies weit ab dessen ist, was ein Kind überhaupt erfassen kann an Reflexionsvermögen, entwicklungspsychologisch für Kinder generell betrachtet. Auch sind Interpretationen von autistischem Verhalten durch Nicht-Autisten eine große Belastung, da sie in der Regel nicht zutreffen.

→ Kontrollfrage: Sind Menschen in der Umgebung des Kindes, die es nicht so annehmen wie es ist, es sogar verändern wollen oder ihm eine ihm nicht zu eigene Lebenweise als geeignet vermitteln wollen, bzw forwährend von sich auf das autistische Kind schließen was zu großen Missverständnissen führt?

14. Ordnung

Autisten in der Überlastung können aufgrund der völligen Überreizung nur noch unter Klarheit der Umgebung existieren. Ist dieser Punkt erreicht wird flexibles Handeln kaum möglich, da es eine immense Denkleistung voraussetzen würde in einem solchen Zustand. Keinesfalls ist durch Struktur und Ordnung in der Überlastung außer für einen kurzen Notmoment bis die Barrieren behoben sind zu nutzen. In diesen Notfällen allerdings dient die Ordnung dazu nicht selbst nachdenken zu müssen und sich aus diesem heraus zu retten.

→ Kontrollfrage: Zeigt das Kind ein Ordnungs- und Strukturempfinden als notwendig um handlungsfähig zu bleiben?

15. Bedenkzeit

Wird ein Autist in einer für ihn belastenden Situation oder einer für ihn sprachformal oder inhaltlich nicht so klaren Weise etwas gefragt, kann es sein, daß eine Antwort etwas länger braucht. Das gilt auch für alle sonstigen Reaktionen im übertragenen Sinn. Unruhe in Form von Gesten, Nachfragen, etc. tragen dazu bei, daß die Situation für den Autisten weiter erschwert wird. Eine auf NA abwesend wirkende Körpersprache sollte auf keinen Fall so gedeutet werden, daß der Autist nicht um eine Antwort bemüht ist.

→ Kontrollfrage: erscheint der Autist abwesend wenn ihm eine Frage gestellt wird und braucht Bedenkzeit?

16. Ungeklärte Sachverhalte

Stark belastend können sich auf Autisten auch Vorgänge auswirken, durch deren verzögerten Ausgang noch keine Klarheit über den Ausgang besteht. Das können besonders Schulangelegenheiten sein die in der Schwebe liegen. Autisten verarbeiten viele Vorgänge vor allem seriell, sind also bestrebt, Dinge schnell zu erledigen um danach etwas anderes zu tun. Parallele Anforderungen, bei denen mehrere Vorgänge gleichzeitig ungeklärt offen stehen, können Autisten schwer belasten und dahin bringen handlungsunfähig zu werden, da die unerledigten, unbeantworteten Vorgänge nicht vergessen werden können. Bei ständiger diesbezüglicher Überlastung kann eine Art Ignoranz sämtlicher schulischer Vorgänge und Personen entstehen, die sich deutlich ungünstig auf alle Lebensbereiche auswirkt.

→ Kontrollfrage: Kann das autistische Kind gut verschiedene Dinge gleichzeitig abwarten, oder ist zwingend ein Abschluss einer Aufgabe oder eines Bearbeitungsprozesses notwendig, damit ein neuer begonnen werden kann?